Rede zum Gesetzentwurf zur Einstufung Georgiens, Algeriens, Marokkos und Tunesiens als sichere Herkunftsstaaten

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„Wenn die Gerichte überlastet sind, weil sie nicht mehr hinterherkommen, die fehlerhaften Entscheidungen des BAMFs zu korrigieren, dann würde ich sagen: Lasst uns gemeinsam die Strukturen beim BAMF verbessern. Aber das wollen Sie ja auch nicht.“ Luises Rede zum Gesetzentwurf zur Einstufung Georgiens, Algeriens, Marokkos und Tunesiens als sichere Herkunftsstaaten.

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine Damen und Herren,

Die heutige Debatte ist eigentlich ein Lehrstück für Populismus.

Dass Sie, liebe CDU und CSU so hartnäckig an diesem Thema festhalten, ist einer Sache geschuldet! Sie blicken auf die Umfragewerte und fragen sich, wie Sie die Grünen ammeisten verletzen können. Und ich verstehe das auch. Die Umfragen sind für Sie schwer zu verdauen. Aber es ist trotzdem unsauber, was Sie hier machen. Das einzige, was Sie hier nämlich versuchen, ist Profit daraus zu schlagen, dass es eben schwerer ist zu erklären, dass die Maghreb Staaten nicht sicher sind, als umgekehrt.

Aber, und das dürfen Sie gleich über die Grüne Bundestagsfraktion lernen (vielleicht hilftIhnen das Wissen irgendwann): Nur weil etwas schwer zu erklären ist, heißt das nicht, dass wir den einfachen Weg gehen und aus Angst vor Diffamierung in dieser Frage unser Fähnchen nach dem Wind richten. Und dass Sie das nach fünf Jahren Debatte zu diesem Thema immer noch nicht gelernt haben, betrübt. Heute morgen hat die Tagesschau auf ihrer Website geschrieben, die Union werbe um die Zustimmung der Grünen bei diesem Thema.

Ich bin darüber gestolpert: Die Union wirbt um unsere Zustimmung? Ja, wo denn? Wowerben Sie denn um unsere Zustimmung? Siehaben sich keines unserer Argumente angenommen, sich noch nicht mal die Mühe gemacht, sie zu entkräften, Bedenken oder bestimmte Fragen zu beantworten. Ich mache das mal an einigen Beispielen fest:

Die Grünen in der Landesregierung Baden-Württemberg haben gesagt, sie ziehen eine Einstufung dieser Länder in Erwägung wenn es ein Schutzkonzept für besonders vulnerable Gruppen gibt. Das haben Sie aber bis heute nicht geliefert. Ist es Ihnen nun ernst mit dieser Sache oder nicht?

Ok, Sie wollen eine spezielle Rechtsberatung für besonders Schutzbedürftige einführen. Mal abseits davon, dass das eigentlich Kernbestandteil des Asylverfahrens ist: Dass diese Maßnahme nur ein Feigenblatt ist, ist mehr als offensichtlich und das weiß auch Baden-Württemberg. Denn was hilft es, eine besondere Schutzbedürftigkeit festzustellen wenn Sie auf der anderen Seite nicht bereit sind, diese Menschen dann auch aus dem beschleunigten Verfahren der Sicheren Herkunftsstaaten (§30a AsylG) herauszunehmen??

Am Schlimmsten, meine Damen und Herren, bei dieser Debatte finde ich persönlich aber jawirklich, dass Sie den Menschen in Deutschland vorgaukeln, dass die Einstufung dieser vier Länder das Potential hat, die Probleme, die wir in der Asylpolitik in Deutschland haben, zu lösen.

Ich finde das schmutzig! Wir reden hier über einen verschwindend geringen Anteil vonMenschen. Die Zahl der aus diesen Ländern beim BAMF noch anhängigen Asylverfahren hat sich seit 2016 um 85 Prozent reduziert, die Zahl der Abschiebungen hat sich verzehnfacht.
Also hören Sie bitte auf, dieses Thema zur Schicksalsfrage hochzujagen.
Wo liegen denn unsere politischen Handlungsfelder in der Asylpolitik? Sprechen wir es doch mal ehrlich aus:

1. im Asylverfahren selbst. Wenn die Gerichte überlastet sind, weil sie nicht mehr hinterherkommen, die fehlerhaften Entscheidungen des BAMFs zu korrigieren, dann würde ich sagen: Lasst uns gemeinsam die Strukturen beim BAMF verbessern. Aber das wollen Sie ja auch nicht. Vor zwei Tagen haben Sie im Innenausschuss dagegen gestimmt, als die Grünen einen Austausch mit Experten zur Verbesserung der Qualität bei den Asylentscheidungen im BAMF beantragt haben. Haben Sie geschlossen abgelehnt.
Warum? Aus Faulheit? Weil beim BAMF alles tutti ist? Ich verstehe es nicht.

2. Abschiebungen: Sie finden es wird zu wenig abgeschoben und ihre Antwort darauf ist, das Ausweisungsrecht immer weiter zu verschärfen statt zur Kenntnis zu nehmen, dass es in erster Linie ein Vollzugsproblem gibt. Da wird es dann immer ganz still um die Innenminister der Länder weil das nämlich bedeutet, dass viel mehr Geld in Strukturen und Personal gesteckt werden muss. Und abseits davon: seit 13 Jahren haben CDU und CSU die Verantwortung für dieses Thema. Wollten Sie nicht aktiv werden oder ist es vielleicht schwerer, als Sie es der Öffentlichkeit zu verkaufen versuchen?

3. Integration: wie wollen Sie denn dafür sorgen, dass Menschen in unserem Alltag ankommen wenn Sie noch immer große Gruppen von Sprachkursen ausschließen, den Übergang in den Arbeitsmarkt nicht hinbekommen oder Menschen in Ankerzentren vom Rest Deutschlands isolieren?

4. Fluchtursachen: und da sind wir wieder bei den Sicheren Herkunftsstaaten. Wenn Sie wollen, dass weniger Menschen aus diesen Ländern herkommen und Schutz beantragen, warum um alles in der Welt nutzen Sie nicht Ihr politisches Gewicht und koppeln die Einstufung dieser Länder wenigstens an Bedingungen? 
Sie sagen es ja selbst: Die Regierungen der drei Maghrebstaaten wollen von uns als sicher eingestuft werden. Es ist sowas von ignorant, noch nicht mal zu versuchen, für die Menschen in den Ländern etwas zu erreichen, dass ihr Leben leichter macht.

Auch das verstehe ich nicht.

Und ich kann allen Menschen ausserhalb dieses Parlamentes versichern: Dass die Grüne Bundestagsfraktion bei diesem Thema nicht einlenkt, hat viele Gründe, ich habe sie dargelegt. Es hat nichts mit Ideologie zu tun.

Mein Fazit: Die Einstufung löst kein Problem, sie ist eine sinnlose und in diesem Fall verfassungsrechtlich nicht mal gedeckte Ersatzhandlung, die davon ablenken soll, dass die Große Koalition an so vielen Baustellen ideenlos und handlungsunfähig ist. Bei so einer wichtigen Sache.
Im Herzstück der Asylpolitik.

Vielen Dank


Stellungnahme von Amnesty International im Innenausschuss zur Einstufung:


Folgende Medien berichteten: