Kleine Anfrage zur Lage von Asylsuchenden in Bosnien-Herzegowina

Seit Anfang 2018 lässt sich eine Verlagerung der sogenannten Balkan-Fluchtroute gen Westen und damit über Bosnien-Herzegowina beobachten. Nach offiziellen Angaben der Vereinten Nationen erreichten bis Ende September 2018 mehr als 16.000 Schutzsuchende Bosnien-Herzegowina, 25 mal so viele wie im Vorjahr (https://data2.unhcr.org/en/documents/download/66720). Die meisten von ihnen wollen von Bosnien aus nach Kroatien und weiter nach Norden. Ein nationales Asylsystem mit Unterbringung und Versorgung aber auch Entscheidungen über Asylanträge existiert in Bosnien-Herzegowina so gut wie nicht. Das UN Kinderhilfswerk beschreibt die Versorgungslage für Asylsuchende in Bosnien-Herzegowina als prekär und erklärt die winterfeste Unterbringung der Schutzsuchenden, darunter mehrere hundert Kinder, als eine der größten Herausforderungen (https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNICEF%20Refugee%20and%20Migrant%20Crisis%20in%20Europe%20Humanitarian%20Situation%20Report%20No.%2029%20July%20-%20September%202018%20.pdf). Hilfsorganisationen berichten immer wieder über den Einsatz von Gewalt durch die kroatische Grenzpolizei sowie über das Zurückschieben von Geflüchteten (völkerrechtswidrige Push-Backs). Es gibt Berichte darüber, dass in Kroatien aufgegriffenen Schutzsuchenden Geld, Ausrüstung und Kleidung durch die kroatische Polizei entwendet wird und dass ihre Mobiltelefone und Dokumente zerstört werden (https://www.borderviolence.eu/).

Wir haben die Bundesregierung hierzu befragt, die allerdings nicht viele Kenntnisse aufweisen kann. Bereits die Frage nach der Unterbringung von Schutzsucheden in Bosnien-Herzegowina kann sie nur unzureichend beantworten, wobei die Hinweise auf die „Aufnahmezentren“ irreführend sind, weil diese mitnichten angemessenen Unterbringungsstandards genügen (Frage 2). Dass die Aufnahmekapazitäten dort bei weitem nicht ausreichen und Schutzsuchende immer wieder abgewiesen werden müssen, erwähnt die Bundesregierung ebenso wenig, wie die Tatsache, dass die medizinische Versorgung und auch die Essensversorgung beispielsweise nur sehr rudimentär und alles andere als wirklich „sicher gestellt ist“ (Frage 5). Zur besonderen Vulnerabilität der Schutzsuchenden, zur Frage der Herkunftsländer oder schlicht zur Zahl der schutzsuchenden Kinder kann die Bundesregierung nichts sagen.

Die Antworten auf die Fragen nach einem existierenden Asylsystem und Aspekten wie Rechtsberatung beispielsweise (Fragen 7-10) offenbaren ein mangelndes Problembewusstsein seitens der Bundesregierung: Sowohl für die Situation der zahlreichen in Bosnien Gestrandeten, unter denen natürlich auch Menschen Anspruch auf Asyl hätten, als auch für Bosnien-Herzegowina als Aufnahmeland, das 23 Jahre nach dem Dayton Abkommen noch unter gravierenden wirtschaftlichen und strukturellen Problemen leidet.

Am ignorantesten zeigt sich die Bundesregierung jedoch mit Blick auf die illegalen Push-Backs von Schutzsuchenden an der kroatischen Grenze sowie hinsichtlich des Verhaltens des brutalen Verhaltens der kroatischen Polizei: Nach guter Vogel-Strauß Manier weiß die Bundesregierung von nichts, bzw. schenkt den wenig überzeugenden Beschwichtigungen des kroatischen Innenministeriums Glauben, statt der gründlich dokumentierten Recherchen zahlreicher Medien und Zivilgesellschaft. Hier könnte die Bundesregierung mehr wissen, daher drängt sich doch sehr der Verdacht auf, dass sie an der Stelle gar nicht genau hinschauen will. Die Leidtragenden sind die Schutzsuchenden, die in Bosnien ausharren müssen und für die es keinen Ausweg, weder vor noch zurück gibt.